Ralf Wohlleben, einer der fünf NSU-Angeklagten von München, war im Juli zu zehn Jahren Haft verurteilt worden,...

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Ralf Wohlleben, einer der fünf NSU-Angeklagten von München, war im Juli zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, befindet sich zur Zeit aber auf freiem Fuß. In der jüngsten Sitzung des Untersuchungsausschusses von Thüringen stand der Verurteilte jetzt im Mittelpunkt des Interesses. Allerdings mit zweifelhaftem Ergebnis: Denn mehrere Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) machten im Zeugenstand Angaben, die eher Fragen zu dem früheren Neonazi-Anführer aus Jena aufwarfen, als für Klarheit zu sorgen. Unverändert hat der Ausschuss auch mit Behinderungen zu kämpfen. Das Amt hat ihm unvollständige Akten geliefert.

Nach seiner Freilassung ist Wohlleben mit seiner Familie in den kleinen Ort Bornitz im Drei-Länder-Eck Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen gezogen. Das berichten mehrere Medien gestützt auf offizielle Auskünfte und eigene Recherchen vor Ort.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Ort bekannt wurde. Zunächst entspann sich eine Debatte um die Nennung des Ortsnamens. Manche Medien verschwiegen ihn. Aber selbst ein Dorf ist Teil der Öffentlichkeit, und was einmal in der Öffentlichkeit war, ist nicht mehr einzufangen.

Die Diskussion um den verurteilten NSU-Helfer in Bornitz nimmt inzwischen Fahrt auf. Wird das Dorf zum Treffpunkt der rechten Szene? Zum Kampfplatz von Gegendemonstranten? Verschiedenen Berichten zufolge sollen die Sicherheitsbehörden in Land und Bund in Bereitschaft sein.

Wohlleben und die Sicherheitsbehörden - das führt zurück in die Vergangenheit und zum Wirken des Mannes vor 20 Jahren in der Neonaziszene Thüringens, zu der auch das spätere NSU-Kerntrio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe gehörte. Neonazis wie Tino Brandt, André Kapke, Thorsten Heise und auch Ralf Wohlleben verfolgten damals erfolgreich die Strategie, die NPD zu entern und Führungspositionen in der Partei einzunehmen. Wohlleben wurde Vize-Landesvorsitzender der Thüringer NPD sowie Kreisvorsitzender der Partei in Jena. Dort war seine Stellvertreterin seine heutige Verteidigerin, Nicole Schneiders.

Insgesamt soll die NPD in Thüringen prozentual den größten Anteil von Neonazis als Mitglieder gehabt haben. Im Zuge des NPD-Verbotsverfahrens Anfang der Nuller Jahre soll diese Entwicklung aber wieder zurückgefahren worden sein - so ein Verfassungsschützer gegenüber dem Ausschuss. Wobei sich dem Beobachter der Unterschied nicht so richtig erschließt - Rechtsextremist ist Rechtsextremist, ob inner- oder außerhalb der Partei.

Was wusste das Landesverfassungsschutzamt über die Thüringer NPD und mögliche Verbindungen zum NSU? Das wollte jetzt der Untersuchungsausschuss (PUA) des Landtags wissen und befragte dazu drei Auswerter des Amtes. Die Arbeit der Nachrichtendienste ist unterteilt in Beschaffer und Auswerter. Beschaffer sind die V-Mann-Führer, die konspirativ ihre Spitzel treffen, um Informationen entgegen zu nehmen und sie anzuleiten. Die Auswerter sitzen in den Bürostuben, analysieren das eingehende Material und erteilen weitere Aufträge für die Arbeit mit den Quellen. "Die Auswertung steuert die Beschaffung", lautet deshalb die Maxime bei den Diensten.

Was die LfV-Zeugen allerdings gegenüber dem Ausschuss ablieferten, muss man entweder als Dokument der Ignoranz bezeichnen oder als organisierte Nebelwand. Welches Wissen genau wer im Hause über die zentralen Führungsfiguren wie Thorsten Heise, aber vor allem Ralf Wohlleben, hatte, verschwand hinter einem angeblichen Kompetenz-Wirrwarr.

https://www.heise.de/tp/features/Der-NSU-Prozess-ist-zu-Ende-nicht-aber-die-Aufklaerung-4141372.html
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