via erwin abelmann

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Originally shared by David Ka (Pade Melon)

Verkommt die NZZ zum Hofschmierenblatt der AfD? Die aktuelle Entwicklung im traditionsreichen Verlagshaus lässt jedenfalls wenig Gutes hoffen...

Zum Einstieg ein kleines Zitat aus dem Artikel, das für sich spricht:
“Die deutsche Komikerin Sophie Passmann etwa schrieb kürzlich auf Twitter: «Jedes Mal, wenn ich NZZ lese, lerne ich 2 neue Wörter und 4 neue rassistische Ressentiments.»“

Ich hatte die NZZ als liberale und internationale Zeitung eigentlich gemocht, aber es war schon länger abaehbar, dass sich diese Zeitung in eine sehr fragwürdige Richtung entwickelt, obwohl oder vielleicht auch gerade weil es mehrfach Versuche aus rechtspopulistischen SVP-Kreisen versucht wurde die Zeitung zu übernehmen, wie zuvor schon die Weltwoche oder die Basler Zeitung.

Besonders fragwürdig macht sich die Zeitung mit der Beilage für deutsche Leser, welche ganz auf die Interessen der Wutbürger der AfD abgestimmt sind und mit billiger Meinungsmache statt seriöser, sachlicher Berichterstattung punkten kann... etwas, was man ja eher der BILD zutrauen würde als der NZZ:
“Gujer positioniert sich und die ausgebaute Berliner NZZ-Vertretung deutlich rechts der Mitte. Auch dort, wo die Wähler der Alternative für Deutschland (AfD) zu Hause sind. Er macht das mit dem Newsletter «Der andere Blick», der die deutsche E-Paper-Ausgabe der NZZ begleitet. Nach eher zurückhaltendem ­Beginn wirkt dessen Ton zunehmend schriller. Zur Integration von Einwanderern stellte er etwa fest, dass diese einzig als «Assimilation» gelingen könne und im Grunde stets eine «Reedukation» erfordere, eine Umerziehung also.

Besonders heftig fiel eine Abrechnung mit Angela Merkel nach der Bundestagswahl aus. Gujer bezeichnete die Kanzlerin als politische «Untote». Über die Flüchtlingspolitik von 2015 schrieb er: «Mit der abrupten Öffnung der Ostgrenze gab die CDU zugleich die Idee des Staatsvolks auf, das sich von anderen Völkern unterscheidet und aus dieser Distinktion seine Existenzberechtigung ableitet.» Das argumentiert nahe an völkischen Thesen, die Migration als unzulässige «Völkervermischung» grundsätzlich ablehnen.

(...)

Den Rechtsdrall zu deutschen Themen befördern auch deutsche Gastautoren, die auf der Meinungsseite und im Feuilleton schon länger über Merkel, Flüchtlinge, Islam und Multikulturalismus wettern – und ähnlich verbreitet werden wie die Texte von Gujer. Eine herausragende Stimme dabei ist die Lieblingsfeuilletonistin der AfD, Cora Stephan, die in deutschen Blättern kaum mehr stattfindet, aber seit 2016 ganze 13-mal in der NZZ zu Wort kam. Auch andere rechtslastige Autoren wie der frühere «Bild»-Chef Hans-Hermann Tiedje oder Wolfgang Bok schimpfen über die «irregeleitete Politik» in Deutschland.“

Die Reaktion auf Kritik ist dünnhäutig und durchaus fadenscheinig, zumal es die NZZ selbst ist, die rechts der Mitte argumentiert, und sich diese Entwicklung auch in der personellen Besetzung der Redaktion offenbar abzeichnet (dazu aber später):
“Auf Kritik am Kurs reagieren die Verantwortlichen dünnhäutig. «Die Haltung der NZZ ist klassisch liberal», schreibt Marc Felix Serrao. Man könne mit nationalkonservativer und engstirniger Deutschtümelei ebenso wenig anfangen wie mit linkem Staatspaternalismus. «Allerdings grenzen wir Andersdenkende nicht aus, sondern treten vehement für ihr Recht ein, am öffentlichen Gespräch teilzunehmen.» Das unterscheide die NZZ von vielen Wettbewerbern, die das Eintreten für das Recht, eine Position zu äussern, mit der Übernahme dieser Position verwechselten“

Und weiter im Selbstverständnis der NZZ im Umgang mit den Rechten:
“Serrao ist neben Gujer massgeblich für den «anderen Blick» zuständig. Er leitet seit Anfang Juli das aufgestockte Berliner Büro der NZZ. (...) Vor allem in den Kommentaren fällt auf, mit welchem Eifer Serrao gegen eine ­angebliche linke Meinungsdiktatur anschreibt, die rechte Stellungnahmen in Deutschland mit Denkverboten belege. (...) Serraos Eifer geht über eine liberale Grundhaltung deutlich hinaus. Auch ohne sich diese Meinungen zu eigen zu machen, bestätigt er die Opferrolle der Rechten und scheint deren Strategie der «Normalisierung» zu befördern. Das kommt an. Die NZZ, hiess es (...) auf dem Blog des rechtsradikalen Vordenkers Götz Kubitschek, zeichne sich (...) als «Stimme der Vernunft» und durch «Sachlichkeit» aus. Man könne sie nahezu als publizistischen Verbündeten ansehen.

Der Medienanwalt Joachim Steinhöfel, der beste Kontakte in die neurechte Szene unterhält, hob im Sommer in einer Rede die NZZ unter den deutschsprachigen Medien ausdrücklich hervor und nannte die Schweizer Zeitungen – vermutlich mit Seitenblick auf die rechten «Weltwoche» und «Basler Zeitung» – das «neue Westfernsehen». Der Vergleich insinuiert, Deutschland sei heute meinungsmässig wieder eine Art DDR, in der man die Wahrheit nur erfahren könne, wenn man «freie» ausländische Zeitungen lese.“

Natürlich könnten für die Offenheit für neurechte Inhalte auch auch kommerzielle Erwägungen eine Rolle spielen, dass die Zeitung sich eine Nische im deutschen Nachrichtenmarkt sucht. Trotzdem irritiert, dass eine einst als Vorreiter liberaler Ansichten geltende Zeitung sich nun an krude Ideen bis nahe an die Grenze völkischem Denkens anbiedert ist unverständlich. Da macht es auch nicht besser, wenn der Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Bundestag lobt:

“Man schätze die NZZ als «neutrale Stimme», lässt Bernd Baumann mitteilen. In der Flüchtlingskrise, als fast alle deutschen Medien unkritisch berichtet hätten, habe sie eine «wichtige Kontrollfunktion» ausgeübt.“

Von den Entwicklungen in Deutschland abgesehen, ist auch die Stimmung im Mutterhaus in Zürich nicht gerade gut. Zahlreiche Abgänge, teils freiwillig teils Entlassungen pflastern den neuen Kurs, welcher die Zeitung mit ihrem neuen Chefredakteur Eric Gujer seit 2015 fährt.

“Es knirscht rund um die NZZ, es knirscht innerhalb der NZZ. Mit einem Brief protestierten knapp 70 Akademiker kürzlich gegen die Entlassung eines langjährigen Feuilleton-Redaktors und gegen die zunehmende Politisierung des Kulturteils unter dessen Leiter René Scheu (zur Meldungim «persönlich»). Die WOZ berichtete von Unruhe unter Redaktoren, einem Klima der Angst. Und gestern erst wurde bekannt, dass Eric Gujer gegen eine langjährige Reporterin der NZZ ein Schreibverbot erliess, weil sie sich kritisch über die Zeitung geäussert hatte.

«Viel Spass!»

Gerne hätte man mit Gujer selber darüber geredet. Er hat von Tagesanzeiger.ch/Newsnet zu Beginn der Woche konkrete Fragen zum Kurs seiner Zeitung in Deutschland erhalten. Doch er konnte oder wollte die Fragen nicht beantworten. (...) Offen lässt er auch, wie der neue Kurs in der Redaktion an der Falkenstrasse ankommt. Dort erzählt man sich im Moment gerne den Satz weiter, mit dem der Mitherausgeber der FAZ, Jürgen Kaube, auf die Vermutung reagiert habe, die NZZ wolle eine publizistische Heimat der deutschen Rechten werden: «Na dann, viel Spass!»

Genauer mit den redaktionellen Änderungen hat sich die Wochenzeitung beschäftigt, auf welche der Tagesanzeiger zudem auch verlinkt:
https://www.woz.ch/1741/nzz/die-angst-geht-um-an-der-falkenstrasse

Fazit?
Ich kann mir wohl eine Zeitung in Zukunft sparen. Statt ausgewogener und teils auch unbequemer Berichterstattung scheint sich die NZZ zunehmend wohl zu fühlen im Bett der Neurechten. Schade.

Beitrag via Asoziales Netzwerk - Sektion Oberbayern​
https://mobile2.tagesanzeiger.ch/articles/59fb78f9ab5c37517b000001

3 Kommentare:

Alexander Vollmer hat gesagt…

Wenn man Joseph Goebbels gefragt hätte, welche Zeitung denn objektiv und neutral in der Berichterstattung sei, er hätte wahrscheinlich den Der Stürmer genannt.

Thomas Mertens hat gesagt…

Nicht der VB?

Alexander Vollmer hat gesagt…

Das war ja sein eigenes Kind - so egozentrisch war er auch wieder nicht dessen mangelnde Objektivität nicht einzugestehen.

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