>> Eine szenische Detailbeschreibung: „Arier“ können nicht verlieren.
Originally shared by Lars
>> Eine szenische Detailbeschreibung: „Arier“ können nicht verlieren.
Rückblickend auf den 1. Mai 2017 in Halle / Saale bleibt mir eine kurze Szene eindrücklich in Erinnerung.
Ich bin seit zehn Jahren regelmäßig als Fotograf an rechten und neonazistischen Veranstaltungen dran – mit mehr und minder spannungsreichen Momenten. Neonazis halten sich mit ihrer Weltanschauung selten zurück. Wer vom imaginierten Recht des Stärkeren geleitet wird, muss das auch im Handeln erkennen lassen. Beleidigungen, Drohungen und gelegentliche Handgreiflichkeiten sind in dem Spannungsfeld Normalität.
Ab und an gibt`s auch mal Momente, wo die Polizei nicht den Überblick behält. Was ist dann?
In Halle gab`s am 01. Mai 2017 ein kameradschaftliches Rumstehen am Hauptbahnhof. 400 bis 500 Neonazis standen knapp dreieinhalb Stunden in der Polizeiabsperrung. Ringsherum ein paar Tausend GegendemonstrantInnen. Die Frustrationsgrenze war nachmittags erreicht. Die meisten Neonazigruppen reisten ab.
Eine Gruppe in abstoßender Einheitskleidung, mit „Aryans – 88 – support your race“-Aufdrucken blieben schon die Stunden vorher optisch in Erinnerung. Augenscheinlich Typen, denen man abnimmt, dass sie sich mit dem vermeintlichen ‚Recht des Stärkeren‘ durchsetzen müssen, weil ihnen nicht viel mehr Mittel zur Verfügung stehen. Die Sozialisation hat offenbar Lücken hinterlassen.
Als die Anspannung des Tages sich im Bahnhofsbereich grad zu lösen scheint, taucht die 20 bis 25 Personen starke Gruppe unverhofft im Seitenbereich auf. Ringherum zahlreiche NeonazigegnerInnen. Die Polizei sprintet, um ein Zusammentreffen zu verhindern. Die Neonazis skandieren: „Ohne Polizei wärt Ihr alle tot.“ Verbale und materielle Verachtung fliegt wechselseitig durch die Luft. Wenige Meter weiter ist das abgrenzende Geländer beendet und die PolizistInnen immer noch zu wenig, um die Situation zu sichern. Handgreiflichkeiten zwischen Einzelnen sind unausweichlich. Die wenigen PolizistInnen zücken Reizgas und Schlagstock um die Personen auseinanderzutreiben.
Inmitten dieses lauten, hastigen, aggressiven Moments bleibt ein Ausschnitt fast unbemerkt. Zwei Männer stehen sich wie versteinert gegenüber. Kaum zehn Zentimeter dazwischen. Keiner von beiden rührt sich. Als ich das realisier, geht das schon ein paar Sekunden so. Ich bin nah an der Gesamtszenerie. Und die Polizei kann gerade keinen Unterschied zwischen GegendemonstrantInnen oder Fotografen machen. Ich muss auch ein paar Meter rückwärts. Die Polizei hat die NeonazigegnerInnen erstmal ein paar Meter zurückgedrängt. Die Neonazigruppe macht aus ihrer Gewaltbereitschaft keinen Hehl.
Augenblicke später; immer noch dieselbe versteinerte Szenerie – inmitten der Hektik. Keiner von beiden scheint sich auch nur einen Millimeter bewegt zu haben. Das muss schon mindestens eine Minute sein. Auf der einen Seite „Aryans“, strotzend vor Hass und Aggression, auf der anderen Seite ein Mann, ein paar Jahre älter, der sich sichtlich Mühe gibt, sich nicht einschüchtern zu lassen. Er versucht sein Gegenüber anzugrinsen. Ewig dauernde Sekunden. Mit dem Recht des Stärkeren kann der „Arier“ scheinbar nicht punkten. Einschüchterung funktioniert nicht. Das wird ihm scheinbar auch grad klar. Rückzug oder Gewalt. Sieg oder Niederlage. Der „Arier“ hat die Niederlage wenigen Minuten vorher, gemeinsam mit den KameradInnen noch nicht verkraftet. Da kann er jetzt doch keinen Rückzieher vor einem alten Mann machen, der vielleicht sein Vater sein könnt.
Die Polizei hat den Ausschnitt dieser Szenerie immer noch nicht wahrgenommen. Die Zeit scheint dort still zu stehn. Ich kann mir kaum vorstellen, wie lange sich der zuvor angekündigte Gewaltausbruch beim „Arier“ noch verzögern lässt. Ich fühle mich dazu gedrängt, die Polizei auf die Situation aufmerksam zu machen. Das war lautstark. Eine Polizistin nimmt den Hinweis zur Kenntnis und handelt. Die Gruppe der „Arier“ wird von den PolizistInnen weiter in Richtung Bahnhof und noch einige Straßen weiter zu ihren Autos getrieben.
Die Dauer dieser erstarrten Szenerie macht mich auch Tage später noch perplex. Ob der Mann wegen der Proteste gegen Neonazis dort war, kann ich nicht sagen. Er schien zumindest allein unterwegs zu sein. Er hat Haltung bewahrt in einer Situation, wo ein Fünkchen oder ein Tropfen die Eskalation hätte bedeuten können. Er hat sich nicht von der Aggression und dem Hass anstecken lassen, die sein Gegenüber ihm aufzwingen wollte. Und er hat sich nicht einschüchtern lassen. Damit können „Arier“ schlecht umgehen.
Keine Stunde später wurden Jugendliche in Halle aus derselben Gruppe heraus angegriffen. Steine, Flaschen und Knüppel sollen von den Neonazis eingesetzt worden sein. Mehrere Verletzte und Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung sind die Folge. Die Angegriffenen hatten mit den Anti-Nazi-Protesten nichts zu tun. Sie waren nur zur falschen Zeit am falschen Ort.
#hal0105 <<
#fcknzs
https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=1315612528492515&id=100001313427143
2 Kommentare:
Don't mess around with the guy in shades oh no ;)
Arier habe ich anders in Erinnerung...
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